CVC Report Trend 3: Wissensaustausch zwischen CVC & Kernorganisation

Januar 2024

Fee Gunkel

CVCs, die Know-How und Assets der Kernorganisation erfolgreich einsetzen, können klassische VCs „outperformen“ – zumindest in der Theorie

Die Welt der Start-ups ist geprägt von stetig hohem Wettbewerb: Start-ups sind auf der Suche nach Kapitalgebern, Venture Capitalists (VCs) sind auf der Suche nach dem nächsten Unicorn. Trifft das aussichtsreiche Renditepotenzial der Start-ups auf die hohe Finanzierungskompetenz der klassischen VCs ist der Match perfekt - oder? Die Praxis zeigt: Nicht ganz, denn in diesem Umfeld etablieren sich Corporate Venture Capitalists (CVCs) zunehmend als wichtige Akteure. Noch werden CVCs im Markt meist als die Variante zweiter Wahl wahrgenommen, dabei haben CVCs das Potenzial, nicht nur genauso gut zu performen wie klassische VCs, sondern diese sogar zu „outperformen“:  Auf Basis der umfassenden Nischen-Expertise ihrer Kernorganisation könn(t)en CVCs mögliche „Unicorns“ besser unter den Start-ups identifizieren und mit dem Know-How und den Assets ihrer Kernorganisation den Start-ups zu mehr Wachstum verhelfen, als es das reine Finanzkapital der VCs vermag. Könn(t)en – denn was in der Theorie vielversprechend einfach klingt, ist in der Praxis oft eine echte Herausforderung.

Ein CVC kann dann erfolgreicher investieren als ein klassischer VC oder als konkurrierende CVCs am Markt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. „Fähige“ Investment-Professionals als Grundvoraussetzung

Um mindestens genauso zu gut zu sein wie ein VC, muss ein CVC mindestens das Investment- Know How eines professionellen VCs besitzen. Erfolgreiche CVC-Einheiten bestehen daher meist aus Investment-Professionals, die mehrjährige Erfahrung in Start-up Investments mitbringen. Sie besitzen v.a. die Fähigkeit, die Start-ups bzgl. ROI-basierter Investmentkriterien wie bspw. Skalierungspotenzial, Traktion und Stärke des Gründerteams zu bewerten und den finanziellen Mehrwert der Investition sicherzustellen. Da diese Fähigkeiten nur sehr selten intern im Unternehmen zu finden sind, ist es für den Aufbau einer erfolgreichen CVC-Einheit meist notwendig, entsprechendes Talent von extern zu rekrutieren.

2. Aktive Einbindung der Kernorganisation als Hebelwirkung

Wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, hat die CVC-Einheit die Chance, das Potenzial der Kernorganisation als „unfair advantage“ gegenüber traditionellen VCs zu heben.  

2.1 Nutzung der Kernorganisation zur Identifikation der besten Start-ups

Unternehmen investieren primär aus strategischen Aspekten in Start-ups, um Innovationen und disruptive Geschäftsmodelle frühzeitig zu erkennen und somit einen strategischen Mehrwert für ihr Kerngeschäft zu schaffen (siehe Trend 1, àLink zum Artikel). Folglich sind potenzielle Start-ups für Investments oft in der gleichen Branche angesiedelt wie die Kernorganisation selbst. Mitarbeiter der Kernorganisation können mit Hilfe ihrer tiefen Branchenkenntnis und ihres spezifischen Fachwissens die CVC-Einheit unterstützen, zunächst zielsicher die inhaltlich relevanten Start-ups zu identifizieren (z.B. bzgl. der Technologien) und anschließend sehr fundiert die Geschäftsmodelle der Start-ups zu bewerten. So hat die CVC-Einheit bei der Due Diligence einen echten Vorteil gegenüber einem klassischen VC.

2.2 Nutzung der Kernorganisation zur Befeuerung der Startup-Skalierung

Ist die richtige Investmententscheidung getroffen, kann die Kernorganisation maßgeblich dazu beitragen, das Start-up tatsächlich erfolgreich skaliert. So kann sie mit dem Zugang zu ihren Assets wie Kunden, Lieferanten, Technologien, Facilities wie z.B. Labore und möglichen Kooperationspartnern (zusätzlich zu ihrem Fach- & Branchenwissen) einen wesentlichen Push der Skalierung des Start-ups erzeugen.  

DIE KERNORGANISATION ALS SCHLÜSSELFAKTOR  

Die Kernorganisation ist der Schlüsselfaktor, um das maximale Potenzial des durch die CVC-Einheit getätigten Investments zu heben, sowohl in Form des finanziellen Return on Investments, als auch in Form des strategischen Mehrwerts. Umgekehrt ist die Kernorganisation das Haupt-Entscheidungskriterium, warum sich Start-ups für einen Corporate VC und nicht für einen klassischen VC als Kapitalgeber entscheiden.  

Doch um das Potenzial der Kernorganisation als „unfair advantage“ tatsächlich zu heben, ist ein enger, aktiver Wissensaustausch zwischen CVC-Einheit und Kernorganisation essenziell. Dieser funktioniert nur, wenn er von beiden Seiten gelebt wird: Von der CVC-Einheit, z.B. über Mitarbeiter mit guter Kenntnis und enger Beziehung zur Kernorganisation, aber auch von der Kernorganisation, die bereit sein muss, die CVC-Einheit in vollem Umfang zu unterstützen.  Und genau hier liegt der Knackpunkt.  


MANGELNDER WISSENSAUSTAUSCH ALS HAUPT-HERAUSFORDERUNG

Obwohl die Kernorganisation maßgeblich zum Erfolg der CVC-Investments beitragen kann, findet ein Wissensaustausch zwischen ihr und der CVC-Einheit im Praxisalltag häufig nur sehr begrenzt statt. Mitarbeiter der Kernorganisation empfinden die Unterstützung des CVCs z.B. bei Due-Diligence-Themen oftmals als zusätzliche Belastung zu ihrem ohnehin straffen operativen Tagesgeschäft. In ihren Augen fehlt der persönliche Mehrwert, folglich bleibt die allgemeine Bereitschaft zur Unterstützung aus. Beschränkt sich die CVC-Einheit auf positive Kontakte zu einzelnen Mitarbeitern, besteht das Risiko einer subjektiv verzerrten Wahrnehmung (z.B. der Start-up Potenziale) und der starken Abhängigkeit von Schlüsselpersonen. Fehlen dem Unternehmen zusätzlich noch eine „innovationshungrige“ Kultur sowie organisatorische Strukturen für effiziente Kommunikationswege, hat die CVC-Einheit geringe Chancen, ihr „Outperforming“-Potenzial durch die Kernorganisation tatsächlich zu nutzen – ihr Erfolg bleibt dann weit hinter den Erwartungen zurück.  

ERFOLGSFAKTOREN FÜR AKTIVE ZUSAMMENARBEIT

Dieses Dilemma zu lösen vermag nicht die CVC-Einheit allein. Der Grundstein hierfür muss vom Management ausgehend tief in die Organisation hineingetragen werden. Denn nur wenn die Kernorganisation befähigt und motiviert ist, die CVC-Einheit zu unterstützen, wird die aktive Zusammenarbeit gelingen. Erfolgreiche Steuerungsmechanismen können sowohl „hart“ als auch „weich“ im Betriebsmodell verankert werden – individuell abhängig von dem jeweiligen Unternehmen: „Harte“ Faktoren wie klare Ziele und Anreizsysteme bewirken in der Kernorganisation eine extrinsische Motivation der Mitarbeiter, die CVC-Einheit zu unterstützen, um die eigenen Ziele zu erreichen – und so die Kollaboration als Bestandteil ihrer täglichen Aufgaben zu sehen. Teilweise hilft auch das Schaffen neuer Rollen und Verantwortlichkeiten, den aktiven Austausch zwischen Kernorganisation und CVC-Einheit zu stärken. So kann bspw. die Etablierung von Innovationsverantwortlichen in einzelnen Business Units dazu beitragen, den strategischen Aspekt der CVC-Investments in der Kernorganisation zu verankern und die Zusammenarbeit z.B. bei Due Diligence Prozessen und der Betreuung bestehender Portfolio-Unternehmen zu stärken. In manchen Unternehmen ist hingegen auch eine „weiche“ Steuerung ausreichend: Diese Unternehmen sind meist von einer Kultur der Offenheit, einem Mindset, in dem Start-up-Themen fest verwurzelt sind (z.B. durch kontinuierliche Kommunikation) und einem stark kollaborativen Arbeitsstil geprägt. Hier sind die Mitarbeiter der Kernorganisation so stark intrinsisch motiviert, dass die Zusammenarbeit mit der CVC-Einheit ganz ohne feste Ziele und strikte Verantwortlichkeiten funktioniert.  

FAZIT

In einer Zeit, in der Innovation und Wettbewerb entscheidend sind, ist es für Corporate-Investoren essenziell, sich gegenüber klassischen VCs und anderen CVCs zu behaupten. Dafür müssen sie zunächst mindestens das gleiche Investment Know-How wie professionelle VCs besitzen. Dann haben sie die Chance, darauf aufbauend ihr „Outperforming“-Potenzial zu realisieren, in dem sie ihre Kernorganisation als „unfair advantage“ nutzen. Dies gelingt nur mit aktiver Zusammenarbeit von CVC-Einheit und Kernorganisation. Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis meist eine große Herausforderung, bei der viel Arbeit und Feingefühl notwendig sind. Eine einfache Blaupause zur Förderung der Kollaboration gibt es nicht – die Ausgestaltung ist stark unternehmensspezifisch. Wichtig ist, dass sich das Management dieser Herausforderung annimmt – denn nur dann kann das Unternehmen als CVC langfristig wettbewerbsfähig und erfolgreich sein.

AUSBLICK

Nicht nur der Wissensaustausch zwischen CVC-Einheit und Kernorganisation ist wichtig – auch der aktive Austausch zwischen Kernorganisation und Start-ups ist essenziell: CVCs können das Start-up nur dann vollständig bei der Skalierung unterstützen, wenn das Start-up auch tatsächlich auf das Wissen und die Assets der Kernorganisation zugreifen kann. Doch wie gelingt hier ein aktiver Austausch und woran scheitert er oftmals in der Praxis? Dies zeigt der nächste Artikel in dieser Serie.


ÜBER MRC.

Mücke Roth & Company ist eine inhabergeführte Unternehmensberatung im Herzen Münchens mit ca. 50 festangestellten Professionals und über 70 selbstständigen Branchenexperten. Seit 2003 schaffen wir Wachstum für unsere Kunden, indem wir bei Strategieentwicklung und Umsetzung "hands-on" begleiten. In unseren Beratungsteams vereinen wir langjährige operative Praxiserfahrungen, Branchen Know-how und methodische Beratungsexpertise. Darüber hinaus sind wir als seit 2015 als Start-up-Investor tätig und begleiten unsere Beteiligungs-Unternehmen langfristig als Investor, Inputgeber und Challenger.

ÜBER DIE CVC-TRENDREPORT METHODIK.

Der CVC-Trendreport 2023 bietet Einblicke in das deutsche Corporate Venture Capital (CVC) Ökosystem. Er stützt sich auf 25 Interviews durchgeführt von Mücke Roth & Company mit Corporate Venture Capital-Einheiten, Konzernen, Mittelständlern, Start-ups und Venture-Capital-Firmen. Die Ergebnisse der Interviews wurden in sechs Trend-Insights konsolidiert. Diese bieten wertvolle Erkenntnisse für die CVC-Branche sowie für ambitionierte Unternehmen, die sich mit diesem Thema befassen möchten.

Fee Gunkel

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