CVC Report Trend 5: Corporate-Governance-Strukturen als Aus für die effektive Arbeit jeder CVC-Einheit

Februar 2024

Fee Gunkel

DIE GOVERNANCE GEFAHR.


Corporate-Governance-Strukturen als Aus für die effektive Arbeit jeder CVC-Einheit

Corporate Venture Capital (CVC) Einheiten haben ein Ziel: Mit der Investition in Start-ups strategischen und finanziellen Mehrwert für die Kernorganisation zu realisieren (siehe Trend 4: Wissensaustausch zwischen Kernorganisation & Start-up) Haben sie ein erfolgsversprechendes Start-up identifiziert, die Due Diligence abgeschlossen, den Notartermin zeitnah angesetzt – platzt der Deal, weil die nächste Sitzung des Entscheidungsgremiums vertagt wird oder die Investitionsentscheidung von der Agenda rutscht. Was lächerlich klingt, ist teilweise Realität.

CVC-Einheiten unterliegen meist derselben Governance-Struktur wie die Kernorganisation. Ein effektives und effizientes Arbeiten ist so kaum möglich, denn Start-up Welt und Corporate-Welt funktionieren völlig anders. Eine unüberwindbare Kluft?

ORGANISATIONSSTRUKTUR ALS URSACHE

Während sich die Investment-Tätigkeiten der CVC-Einheit ganz klar vom Regelgeschäft der Kernorganisation abgrenzen, ist die organisatorische Verankerung vor allem zu Beginn meist eng verknüpft: Nur selten wird eine vollständig unabhängige CVC-„Einheit“ gegründet. Häufig ist sie zunächst entweder als separate „Abteilung“ in der Kernorganisation aufgehangen oder in Form von Einzelpersonen oder Tätigkeiten in bestehende Abteilungen integriert. Eine klare organisatorische Abgrenzung zwischen Kernorganisation und CVC ist so kaum möglich.

DIE HERAUSFORDERUNG VON CORPORATE GOVERNANCE STRUKTUREN

So ist es nicht verwunderlich, dass CVCs meist auch den Corporate-Governance-Strukturen der Kernorganisation unterliegen: Budgets und Entscheidungen müssen in offiziellen Gremien freigegeben, strategische Investitionen inhaltlich sorgfältig begründet und Notarverträge von Mitarbeitern mit Prokura außerhalb der CVC-Einheit unterzeichnet werden. Eine Governance-Struktur, die für etablierte Geschäftsmodelle des Kerngeschäfts entwickelt wurde und dort seit vielen Jahren erfolgreich funktioniert, wird oftmals 1:1 auf CVCs übertragen – besonders dann, wenn eine klare organisatorische Abgrenzung fehlt. Die Konsequenz: Langsame Entscheidungsprozesse und z.T. unsachgerechte Entscheidungsfindung.

Wenn herkömmliche Gremien der Kernorganisation nur alle 4 bis 12 Wochen tagen und dann noch die Anliegen des CVCs aufgrund dringlicherer Themen bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden, kann sich eine Investmentfreigabe leicht um Wochen verzögern. Wenn Gremium-Mitglieder die Kompetenz der CVC-Einheit hinterfragen und sowohl inhaltliche als auch finanzielle Entscheidungen ohne Tiefen-Wissen zu Start-ups und Investmentportfolio selbst treffen möchten, werden „wertvolle“ Investitionsentscheidungen aus CVC-Sicht u.U. abgelehnt. Und wenn dann noch ein aussichtsreicher Deal platzt, weil bspw. ein Notartermin aufgrund einer noch ausstehenden Entscheidung nicht wahrgenommen werden kann, dann ist das das Aus für die effektive Arbeit jedes CVCs.
Was für Mitarbeiter im Kerngeschäft bereits lästig ist, ist für eine CVC-Einheit regelrecht Gift: Kein gutes Start-up, das sich seine Investoren aussuchen kann, steht mit dieser Planungsunsicherheit und nach diesem Zeitverzug noch für ein Invest zur Verfügung.

DIE FOLGE: HANDLUNGSUNFÄHIGKEIT

Die Folgen sind fatal. Denn im dynamischen Start-up Investment-Markt sind Schnelligkeit und Agilität Grundvoraussetzung für den Erfolg. Interessante Deals - sowohl aus finanzieller (ROI-) Perspektive als auch aus strategischer Sicht - können mit langsamen Prozessen nicht realisiert werden. Die CVC-Einheit kann den angestrebten Mehrwert für die Kernorganisation nicht liefern und „underperformed“, weil ihr die Hände gebunden sind. Für Start-ups stellen langsame Entscheidungsprozesse ein großes Risiko dar, da sie auf das Kapital ihrer Investoren angewiesen sind. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass Start-ups aus dem Bestandsportfolio der CVC-Einheit in die Insolvenz geraten, wenn sich ein Folgeinvestment verzögert – oder dass sie sich (rechtzeitig) einen neuen Investor suchen. Der ohnehin schon „wackelige“ Ruf des Corporate Investors steht auf dem Spiel. Dies führt nicht nur dazu, dass sich langfristig weniger Start-ups für einen Corporate als Investor entscheiden, sondern auch dazu, dass sich weniger qualifiziertes Talent für einen „langsamen, trägen, eingestaubten“ Corporate als Arbeitgeber entscheidet. Somit werden klassische Venture Capitalists gegenüber CVCs noch attraktiver, als sie bereits aktuell schon wahrgenommen werden. Eine Abwärtsspirale, der sich CVC-Einheit und Kernorganisation bewusst sein sollten.

ÜBERWINDUNG KRITISCHER DIFFERENZEN

Damit die CVC-Einheit effizient und effektiv handeln kann, bedarf sie einer gesonderten Steuerungs- & Freigabelogik, die den ad hoc Anforderungen des Investmentmarkts entspricht. Wie konkret diese aussieht, hängt ganz vom jeweiligen Unternehmen ab - eine Einheitslösung gibt es nicht. Entscheidend ist, dass CVC-Einheit und Kernorganisation einen gemeinsamen Weg, d.h. eine „Brücke“, finden, um kritische Differenzen zwischen den Bedürfnissen und Anforderungen der Kernorganisation und denen der CVC-Einheit zu überwinden. Je größer die Kluft ausfällt zwischen der Kultur, den Werten und den Arbeitsweisen der Kernorganisation und denen der Start-up Welt, desto mehr Aufwand ist notwendig, um einen gemeinsamen Weg zu finden.
Die Realisierung von Freiheit und Selbstbestimmtheit für die CVC-Einheit kann dabei auf ganz unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Beispielsweise kann der CVC-Einheit auf Gremiumsbeschluss ein Budget zur Verfügung gestellt werden, über deren Investition sie frei entscheiden kann (siehe Trend 2: Ringfencing des Start-up Budgets ). In einigen Unternehmen können CVC-Einheiten Folgeinvestments selbstständig tätigen, während nur Erstinvestitionen der Zustimmung des Gremiums bedürfen. Zum Teil unterscheidet sich auch das Festgeschriebene vom Gelebten: Beispielsweise kann eine offizielle Genehmigungspflicht im Sinne einer Informationspflicht umgesetzt werden - statt Gremiumstagung reicht dann eine kurze E-Mail. Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, wie es die richtige Brücke konstruiert. Wichtig ist, diese mitzudenken.

FAZIT

Etablierte Corporate-Governance-Strukturen ziehen in der Regel langsame Entscheidungsprozesse mit sich. Diese stehen im klaren Gegensatz zu der Schnelligkeit, die auf dem Investmentmarkt gefordert ist. Folglich können CVC-Einheiten wertvolle Investitionsmöglichkeiten nicht wahrnehmen und „underperformen“, weil sie weder den angestrebten finanziellen noch den strategischen Mehrwert liefern können. Langfristig steht sogar ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Eine maßgeschneiderte Governance-Struktur, die auf der CVC-Seite Schnelligkeit und Agilität zulässt und gleichzeitig den Bedürfnissen und Anforderungen der Corporate-Seite entspricht, ist entscheidend. Nur so kann eine effiziente und effektive Arbeit der CVC-Einheit – und damit ein Mehrwert für die Kernorganisation – langfristig sichergestellt werden.

AUSBLICK

Der Ruf der CVC-Einheit ist entscheidend, um in die richtigen Start-ups investieren zu können und das richtige Talent an Bord zu holen. Doch immer noch ist der Ruf von Corporate Investoren umstritten. Wie gelingt der Aufbau einer attraktiven Reputation am Markt? Welche Rolle spielt das Branding hierbei? Mit diesem Thema befasst sich der nächste und letzte Artikel der Serie.


ÜBER MRC.

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ÜBER DIE CVC-TRENDREPORT METHODIK.

Der CVC-Trendreport 2023 bietet Einblicke in das deutsche Corporate Venture Capital (CVC) Ökosystem. Er stützt sich auf 25 Interviews durchgeführt von Mücke Roth & Company mit Corporate Venture Capital-Einheiten, Konzernen, Mittelständlern, Start-ups und Venture-Capital-Firmen. Die Ergebnisse der Interviews wurden in sechs Trend-Insights konsolidiert. Diese bieten wertvolle Erkenntnisse für die CVC-Branche sowie für ambitionierte Unternehmen, die sich mit diesem Thema befassen möchten.

Fee Gunkel

Investment Managerin

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